Schlösser und Gutshäuser

Die Grenzregion beiderseits der Oder hatte schon immer einen ausgeprägten ländlichen Charakter. Jenseits von Berlin, Posen, Frankfurt (Oder) und einigen Kleinstädten befindet sich jene Kulturlandschaft, die bis 1945 durch mehrere Hundert Landgüter geprägt war. Jede dieser mindestens 250 Hektar umfassenden Wirtschaftseinheiten bildete zugleich die Basis der gesellschaftlichen Organisation und einen landschaftsprägenden Sitz von lokalen Eliten.

Nach 1945 wurden dieselben enteignet und vertrieben, ihr Landvermögen unter Neubauern (häufig Heimatvertriebenen) aufgeteilt. Einige Herrenhäuser und Schlösser wurden in den Anfangsjahren der Sowjetischen Besatzungszone abgerissen, der Abrissbaustoff für Neubauernsitze verwendet. Auf der polnischen Seite war die Vernachlässigung nicht weniger dramatisch, da hier jegliche kulturellen Bezüge zu den „postdeutschen“ Objekten fehlten. Vielen Vertriebenen aus dem polnischen „verlorenen Osten“ fehlte der Glaube an die Dauerhaftigkeit und Stabilität der Grenze und der neuen Besitzverhältnisse.

Letztlich wurden beiderseits der Oder mehrere, vorher geplünderte Schlossimmobilien für kommunale Zwecke genutzt, was ihre Existenz rechtfertigte. Gleichwohl wurde die Nutzung häufig ohne besondere Rücksicht auf die gestalterische Qualität oder historische Aussagekraft praktiziert. Mehrere Objekte wurden herunterwirtschaftet bzw. ruiniert.

Die Zeit nach 1989 brachte auf beiden Seiten der Oder schwierige Verhältnisse und eine weitere Beschleunigung des Verfalls durch die jahrelang ungeklärten Eigentumsfragen und Zuständigkeiten. Der Wunsch einer unproblematischen Vermögenrestitution an die Familien ehemaliger Besitzer erfüllte sich nicht. Die Privatisierungsvorgänge liefen voreilig und nahmen kaum Rücksicht auf die Notwendigkeit eines umsichtigen Umgangs mit den kulturhistorisch wichtigen Objekten.

In den letzten Jahrzehnten entstanden dann auf beiden Seiten der Oder viele lokale Initiativen und Stiftungen, die sich der Rettung und Wiederbelebung historischer Gutshäuser widmen. Insbesondere die Nähe zu Berlin und die günstigen Entwicklungen auf dem Immobilienmarkt scheinen positive Effekte zu haben. Gleichwohl sind viele private Eigentümer oft überfordert mit der eigenständigen Renovierung von Schlossimmobilien und noch mehr mit deren wirtschaftlichem Betrieb. Die Pandemie brachte auf beiden Seiten der Oder herbe Rückschläge z. B. für die familiär betriebenen Schlosshotels, so dass der Zustand dieses „sperrigen Erbes“ nach wie vor prekär erscheint.

Angesichts dessen stellen sich mehrere Fragen, die auf die Erhaltungsperspektiven dieses Kulturerbes zielen:
• Wie kann man diese oft übersehene Vielfalt der ehemaligen Herrenhäuser, die das ländliche Brandenburg prägten, in das Bewusstsein der Öffentlichkeit transferieren?
• Kann man zur Rettung mehrerer gefährdeter Objekte durch gezieltes „Branding“ der Kulturlandschaft beitragen?

Schließlich – jenseits des pragmatischen Denkens – kann man weiter nach dem kulturellen Wert dieses Erbes für kritische Diskurse fragen. Jenseits der umfassenden Ausleuchtung der Vergangenheit, für die die Herrenhäuser stehen, regen Letztere doch auch zu einer, Neubetrachtung solcher Begriffe wie „Elite“, „Besitz“, „Heimat“ oder „kulturelle Verantwortung“ an.